Sind Sie heute schon gelobt worden?

Kein Schulterklopfen im Vorbeigehen, sondern ernst gemeintes positives Feedback vom Vorgesetzten: Balsam für die Seele und fixe Zutat des Motivationscocktails. Was viele nicht wissen: Regelmäßiges Lob trägt auch zur Gesundheit der Belegschaft bei!
Stellen Sie sich eine Welt ohne lobende Worte vor. Kinder müssten ihre ersten Schritte ohne den Beifall der Eltern machen. Schüler würden nur für die Statistik lernen, nicht aber für die Freude am persönlichen Erfolg. Und die einzige Aufwandsentschädigung abertausender Arbeitnehmer wäre eine Überweisung am Monatsende. Aber halt – ist das nicht bei vielen Arbeitenden ohnehin so? Die Statistik sagt: Leider ja.

Gelobte Mitarbeiter bleiben eher gesund

Erst vergangenen Sommer bestätigte der Fehlzeiten Report 2011 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin: Der Großteil der Arbeitnehmer – 54,5 Prozent – wird nie oder nur sehr selten von Vorgesetzten für Leistungen gelobt. 41,5 Prozent der mehr als 28.000 Studienteilnehmer sagen, dass ihre Meinung bei wichtigen Entscheidungen im Unternehmen völlig ignoriert würde. Aber: Mehr als ein Drittel der Befragten (35,5 Prozent) ist sich hingegen sicher, dass es gesünder für Arbeitnehmer sei, wenn Vorgesetzte sich mehr für sie ins Zeug legen würden. “Ein gesundheitsfördernder Führungsstil beeinflusst das Befinden der Mitarbeiter positiv und hilft auch, die Fluktuation im Unternehmen gering zu halten. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels spielt der Führungsstil eine immer wichtigere Rolle”, fasst Helmut Schöder, Geschäftsführungsmitglied des Wissenschaftlichen Instituts der AOK die Studienergebnisse zusammen. Schöder: “Doch viele Chefs verhalten sich nicht entsprechend. Selbst kleine Selbstverständlichkeiten, wie ein Lob bei guter Leistung, erhalten die Hälfte der Mitarbeiter nicht von ihrem Chef.”

Motivationsfaktor Chef

In dieselbe Kerbe schlägt beispielsweise auch der Gallup Engagement Index aus dem Jahr 2009. Dieser erhebt, wie stark Mitarbeiter sich an ihre Arbeitgeber gebunden fühlen und zeigt gleichzeitig auf, welche Dinge den Antwortgruppen wichtig sind und was stärker gewünscht wird. Die Ergebnisse: Nur jeder neunte Arbeitnehmer legt sich für sein Unternehmen aus freien Stücken voll ins Zeug, zwei von drei Befragten sehen sich emotional nur gering ans Unternehmen gebunden. Und ein knappes Viertel (23 Prozent) hätten – so der Index – innerlich sogar gekündigt. Mit nicht unwesentlichem Schaden für die Volkswirtschaft: Gallup schätzt, dass in Deutschland jährlich zwischen 90 und 120 Millionen Euro auf mangelnde Unternehmensbindung und fehlendes Engagement verloren gehen. Marco Nink, Strategic Consultant bei Gallup Deutschland: “Die geringe Bindung der Beschäftigten lässt sich fast immer auf den direkten Chef zurückführen. Mitarbeiter mit geringer oder ohne emotionale Bindung werden hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und Erwartungen von ihren Vorgesetzten teilweise oder sogar völlig ignoriert.”

Was bei den Gallup-Ergebnissen ins Auge sticht (siehe Grafik http://eu.gallup.com/Berlin/141167/PMEEI2009.aspx ): Nur sechs Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung gaben an, in der vergangenen Woche nie Lob von ihren Vorgesetzten erhalten zu haben. Zum Vergleich: In der Gruppe der hochmotivierten Kollegen lag dieser Wert um das Zehnfache höher: 63 Prozent.

Motivation kommt selten von ganz oben

Dabei sind laut einer Studie der HR-Managementberatung Hay Group, über die wir im Vorjahr berichteten, unmittelbare Vorgesetzte die wichtigste Motivationsquelle einzelner Mitarbeiter. Nur tut sich zwischen Führungskräften und Angestellten in dieser Hinsicht zumindest eine Kluft in der Wahrnehmung auf: 40 Prozent der befragten Top-Manager gaben an, für Mitarbeitermotivation verantwortlich zu sein. Nur neun Prozent der Führungskräfte in untergeordneten Hierarchieebenen glauben aber auch, durch die Unternehmensführung motiviert zu werden. Ein Drittel ist überzeugt, dass es in dieser Hinsicht auf die direkten Vorgesetzten ankomme.

Falsches Lob wirkt herablassend

Doch warum tun sich viele Führungskräfte so schwer, ihre Mitarbeiter zu loben? Würde ihnen dadurch ein Stein aus der Krone fallen – wie ungelobte Arbeitnehmer oft vermuten? Dahinter steckt in vielen Fällen eine Unsicherheit der Vorgesetzten: “Es ist erstaunlich, aber auch beim Loben kann man Dinge falsch machen. Deshalb machen es viele Führungskräfte auch nicht, weil sie das spüren. Lob kann sehr schnell gönnerhaft wirken, von oben herab. Nach dem Motto ‘Super gemacht – hoppauf – so passt das…!’ Das schafft dann eine ganz seltsame Stimmung, die es unmöglich machen kann, dass man gemeinsam an Projekten arbeitet.”

Ernst gemeintes Lob sollte von Vorgesetzten am besten in drei Schritten vorgebracht werden.
Der erste Schritt ist, konkret zu sagen, was vom Mitarbeiter gut gemacht worden ist. Nicht “Du bist super”, sondern “Wie Sie dies und jenes gelöst haben, war gut, weil …”
Als zweiten Teil des Lobes gilte es, zu erklären, was die vom Vorgesetzten als positiv gelobte Handlung für das Unternehmen bzw. den Arbeitsprozess bedeute.
Zum Schluss sollte eine ernst gemeinte Emotion folgen. So ist oft ist ein menschlicher Faktor, ein ‘Ich freue mich darüber’ Lob genug.

So fordern Sie Ihr Lob ein!

Soweit die Theorie. Aber ist es auch möglich seinen Vorgesetzten auf mangelhafte Motivator-Qualitäten anzusprechen und mehr Lob einzufordern? Es geht! Dies sollte allerdings nach gewissen Regeln erfolgen, da dies ein Veränderungsappell an die Führungskraft sei, der auch negativ aufgefasst werden könnte. Es empfiehlt sich, dabei das B.E.A.M.-Modell anzuwenden – eine Feedbackmethode, die dafür entwickelt wurde, Kritik zu überbringen.

“Das geschieht so, dass der Mitarbeiter zur Führungskraft geht und sagt ‘Herr Abteilungsleiter, lieber Karl oder was auch immer: Ich habe von dir eine Reihe an Verbesserungsvorschlägen bekommen, die mir sehr geholfen haben. Ich habe von dir aber nur ein einziges Mal Lob im letzten Jahr bekommen.’ Gemeinsam mit der Information ‘Ich hätte gern mehr Lob von dir’ ist der Bericht der Fakten abgeschlossen”. Dafür steht auch das B im B.E.A.M.-Modell. Schritt zwei ist Empathie ‘Ich glaube nicht, dass ich dich überfordere, wenn du mir Lob gibst’ gefolgt von Anteilnahme ‘Es freut mich, in deiner Abteilung beziehungsweise an dem Projekt zu arbeiten’. Abschließend sollte der Mitarbeiter gleich Maßnahmen vorschlagen – beispielsweise regelmäßige Feedbackgespräche, in denen auch Dinge, die gut gelaufen sind, Platz haben.

Mitarbeiter-Lob als Selbst-Check für Führungskräfte

Dass davon nicht nur der gelobte Mitarbeiter profitiert, ist naheliegend: “Ich kann lobende Worte an Mitarbeiter sogar als Diagnoseinstrument für mich als Führungskraft nehmen um herauszufinden: Bin ich überhaupt noch eine gute Führungskraft? Kann ich mich mit den Werten des Unternehmens so identifizieren, dass ich mich darüber freue, wenn sie erfüllt werden? Wenn das nämlich passiert und ich freue mich nicht mehr darüber, dann stehe ich auch nicht mehr für das Unternehmen und seine Werte. Und das ist eine Hauptführungsaufgabe.”


Quelle: Bearbeitung von C. Weissenböck in karriere.at vom 20.04.2012.